Entre désintérêt et prétexte. Pierre Bayle et Luther
Pierre Bayle scheint der Figur Luthers kein großes Interesse geschenkt zu haben. Sein dem Reformator gewidmeter Artikel im Dictionnaire befasst sich nämlich vor allem mit der Widerlegung der katholischen Verleumdungen, hinter denen der Philosoph den Willen des römischen Klerus erkennt, die französischen Protestanten nach der Widerrufung des Edikts von Nantes zu diskreditieren. Bei fortschreitender Lektüre des Artikels „Luther“ kommt dem Leser jedoch zu Bewusstsein, welchen Vorwand die Figur des Reformators für Bayle darstellt. Letzterer zögert nicht, sich auf Überlegungen über Themen einzulassen, die über sein ursprüngliches historiographisches Objekt hinausgehen: Fragen der Sexualmoral in ihren politischen und anthropologischen Dimensionen (ausgehend von der Doppelehe des hessischen Landgrafen); die Inspiration der Schrift (zur Bezeichnung des Jakobusbriefes als „stroherne Epistel“); Determinismus (bzgl. der Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther) und schließlich die Beziehungen zwischen Glauben und Vernunft (ausgehend von den Thesen Luthers über die doppelte Wahrheit).