Un arbre en ce monde. Théodore de Bèze, moraliste du contemptus mundi

Die kirchlich und insbesondere klösterlich geprägten Vorstellungen der Selbstaufgabe und des Verzichts prangern unter der Überschrift des Contemptus Mundi Reichtum, die Hingabe an fleischliche Lüste und Ruhmsucht als Hindernisse auf der Gottsuche an. Diese Verzichtsthematik musste bei ihrer humanistischen Rezeption erneuert werden, während die Reformation ihrerseits eine eigene Lehre der Weltverachtung benötigte. Die Art und Weise, wie Théodore de Bèze im 16. Jahrhundert diesen Topos zu einem Hauptthema der Reformatoren transformierte, erlaubt es ihr „Imaginäres“ („l’imaginaire“) auf der Grundlage von Mentalitäten, der Kulturanthropologie und der Rezeptionstheorie zu verstehen. Mit den ihm zur Verfügung stehenden literarischen Genres bevorzugt Beza eine Neukonfiguration des Contemptus Mundi auf der Grundlage mittelalterlicher und klassischer Traditionen. Sein Werdegang führt von Orléans im Kontext der humanistischen lateinischen Poesie und der Predigt des Evangeliums in die Umwälzungen der Verfolgung. Seine Konversion zum evangelischen Glauben im Calvinismus führte ihn ins Exil. Die Neuformulierung des Motivs der Weltverachtung in seinen Lieblingsthemen wie Bekehrung, Normen und Kirchenordnung, Glaubensbekenntnisse, Heiligung, Eschatologie, Meditation über den Tod und die Vergänglichkeit dieser Welt… verbreitet dieses Motiv durch neue Genres und Medien. Bèze spielte damit eine wichtige Rolle für die Entwicklung und Verbreitung einer persönlichen aufrechten ethischen Haltung, die gegenüber den Umbrüchen des Welttheaters durchzuhalten sei. Diese Neukonfiguration des Begriffs der Weltverachtung wurde schließlich konstitutiv für den Einfluss des Calvinismus in Europa.